Tanzzentrum NRW

Das Tanzzentrum NRW - Choreographisches Zentrum, später umbenannt in PACT Zollverein Essen


... hat eine Historie, die auf Susanne Linke als Ideengeberin, Planerin und spätere künstlerische Leiterin baut.

Die alte Industrieanlage Zeche Zollverein in Essen/NRW, rechts das spätere Tanzzentrum
Die alte Industrieanlage Zeche Zollverein in Essen/NRW, rechts das spätere Tanzzentrum

Chronik der Entwicklung des CHOREOGRAPHISCHEN ZENTRUMS ZECHE ZOLLVEREIN - November 2000

Verfasst aus der Sicht von Susanne Linke, 2. Januar 2000

Im März 1992 schrieb ich den ersten Entwurf für die Idee eines Choreographischen Zentrums im Anschluss an eine Besichtigung einer großen Reithalle in der Stadt Potsdam. Damals wurde schnell klar, dass es in den politisch wirren Zeiten nach der Wende für diese Idee viel zu früh sei. 

Ich erwähnte die Vision für ein Tanzzentrum gegenüber meiner damaligen Managerin Anne Neumann-Schultheis. Sie konnte sich eine Realisierung für die Stadt Köln vorstellen und damit stand die Idee geistig im Raum.

Im Herbst 1992 schrieb ich den 2. Entwurf für das Choreographische Zentrum mit dem Schwerpunkt als Stätte für die "freie Tanzszene" in NRW, beheimatet in der Zeche Zollverein in Essen. Ich hatte damals das noch zum Teil brachliegende Industriegelände Zollverein/Essen besichtigt und war tief beeindruckt. Mir war sofort klar, welche Chancen darin steckten: für uns, die Choreographen, und auch für die Stadt Essen, als dem Ort für den "modernen Tanz" in Deutschland, dort wo die Folkwang-Hochschule beheimatet ist.

Besichtigung des Geländes (alte Waschkaue) von Susanne Linke - Foto Rhida Zouari
Besichtigung des Geländes (alte Waschkaue) von Susanne Linke - Foto Rhida Zouari

Lebendig - Vielfältig - Expressiv

Der Tanz in NRW verdient Förderung

Das Choreographische Zentrum NRW
- Zeche Zollverein Essen -
ist der Ort, an dem der Nachwuchs gefördert wird, Weiterbildung möglich ist, neue Stile entwickelt und Experimente gewagt werden.

4-seitiger Flyer, Seite 1
4-seitiger Flyer, Seite 1

1993 gab ich dem damaligen Organisator des Folkwang-Tanzstudios Joachim Schäfer-Goldschmidt mein Konzept für das Choreographische Zentrum und besprach mit ihm meine Vorstellungen.

Die Gesellschaft für zeitgenössischen Tanz (GZT) in Köln arbeitete an dieser Idee weiter und entwickelte ein detailliertes Konzept für das Choreographische Zentrum. Treibende Kraft hierbei war die Leiterin der GZT, Anne Neumann-Schultheis. Dazu gehörte auch Gianni Malfer, mein späterer Partner und gleichberechtigter Geschäftsführer des Choreographischen Zentrums. Joachim Schäfer-Goldschmidt schilderte mir von Zeit zu Zeit den Entwicklungsstand und die Interessen der Politik. 

Ebenfalls 1993 fand eine erste Begegnung mit dem Kulturdezernenten Dr. Oliver Scheytt statt, dem ich mein Konzept und das von der GZT ausgearbeitete Papier übergab. Wir sprachen darüber und er "fing Feuer".

Choreographisches Zentrum NRW

Ziel und Zweck

Das Choreographische Zentrum NRW bietet, was die traditionelle Tänzerausbildung der Hochschulen nicht leisten kann: Ein umfassendes Konzept der weiterführenden Tanzförderung.

Die Sicherung und Weiterentwicklung des bisher erreichten Niveaus der Tanzszene NRW sowie die Förderung choreographisch-stilistischer Innovationen zu internationaler Wettbewerbsfähigkeit sind die beiden tragenden Säulen.

In Verbindung mit tänzerischer Weiterbildung und choreographischer Förderung unter einem gemeinsamen Dach eröffnen sich die erforderlichen Chancen für den Tanz.

Das Choreographische Zentrum NRW unter der künstlerischen Leitung von Susanne Linke hat seinen Sitz in Schacht 1/2/8, der ehemaligen Waschkaue auf Zeche Zollverein.


Im Sommer 1994 erfuhr ich von Joachim Schäfer-Goldschmidt, dass Herr Dr. Scheytt die ehemalige Waschkaue der Zeche Zollverein schon dem Tanz zugesprochen hat.

Die alte Waschkaue, Zeche Zollverein Essen - Foto: Rhida Zouari
Die alte Waschkaue, Zeche Zollverein Essen - Foto: Rhida Zouari

Im September 1994 erhielten Urs Dietrich und ich die Möglichkeit, die Leitung für das Bremer Tanztheater zu übernehmen. Kulturdezernent Dr. Scheytt bedauerte zwar mein Fortgehen aus Essen, doch es hieß, dass es noch zu früh sei, über die Position als Leiterin des Choreogaphischen Zentrums zu verhandeln, da noch keine Baubewilligung und Freigabe von entsprechenden Geldern vorlägen. Dieses könne noch 2-3 Jahre dauern und ich könnte daher getrost nach Bremen gehen.

Im Oktober 1994 wurde das dunkle, brüchige Gebäude zur 1. Tanzmesse in Essen unter der Leitung von Anne Neumann-Schultheis erstmalig genutzt: NEUER TANZ von Armin Wölfl und Wanda Golonka gaben mit Taschenlampenbeleuchtung bei eisiger Kälte und zu später Nacht die erste Vorstellung! Wir waren begeistert von der Größe und Dimension des Hauses. Es war bestens geeignet für ein Tanzhaus.

Unterdessen schlug die Gesellschaft für zeitgenössischen Tanz den Ministerialrat des Wissenschafts-Ministeriums in Düsseldorf, Herrn Dr. Dietmar Möhler als betreuende Person für das Choreographische Zentrum vor. Er wurde damit beauftragt, für den Fortgang dieser Idee Sorge zu tragen.

Parallel dazu begann meine Tätigkeit für das Bremer Tanztheater. Joachim Schäfer-Goldschmidt gab mir regelmässig ausführliche Informationen über den Fortlauf der Entwicklung ...

1995 spürte ich, dass es in Essen mit den neuen Informationen etwas stiller wurde. Ich erfuhr, dass die bereits zugesagten 2,1 Millionen DM doch nicht bewilligt worden seien auf Grund der fehlenden Künstlerischen Leitung, die der Idee Form und Gestalt gibt.

Anfang 1996 wurde mir klar, dass ich mein Interesse für das Choreographische Zentrum deutlicher kundtun müsse, um nicht auch noch das Gebäude zu verlieren. Durch die Vermittlung von Joachim Schäfer-Goldschmidt kam im April 1996 die erste Begegnung mit Dietmar Möhler zustande. Ich erklärte ihm deutlich mein großes Interesse für das Choreographische Zentrum. Dietmar Möhler stellte daraufhin ein Führungsteam für das Choreographische Zentrum zusammen mit einer Künstlerischen Leitung und einem Geschäftsführer. Gianni Malfer, damals noch Manager des Balletts Schindowski in Gelsenkirchen wurde gemeinsam mit mir ernannt.

In der Lenkungsausschußsitzung am 05.09.1996 wurden wir beide zunächst ehrenamtlich eingesetzt und begrüßt: Gianni Malfer als Geschäftsführer und ich als Künstlerische Leiterin.

Die Leitung des Choreographischen Zentrums NRW

Susanne Linke hat sich bereit erklärt, die künftige künstlerische Leitung des Choreogaphischen Zentrums NRW zu übernehmen.

Susanne Linke, lange Jahre Leiterin des Folkwang-Tanzstudios und daraufhin freie Choreographin mit Sitz in Essen, ist seit 1994 Direktorin des Bremer Tanztheaters. Sie genießt als Choreographin und Solistin internationales Ansehen und wird ihre umfangreichen Erfahrungen im tanzpädagogischen Bereich in das Projekt ... einbringen.

Für Organisation und Verwaltung wird Gianni Malfer verantwortlich werden. Er übernahm während seiner Tänzerlaufbahn Managementaufgaben in Gelsenkirchen. Zusätzliches Know-How erwarb er überdies in der Organisation verschiedener Festivals.

4-seitiger Flyer, Seite 2
4-seitiger Flyer, Seite 2

Gründung des gemeinnützigen Vereins ...

Am 25.11.1996 wurde der gemeinnützige Verein gegründet, der für die Durchführung der grundlegenden Arbeiten verantwortlich ist. 

Das Choreographische Zentrum NRW wurde von Beginn an getragen von einer Initiative, die sich zusammensetzt aus:

Gesellschaft für Zeitgenössischen Tanz NRW e.V. -
der Stadt Essen -
der Bezirksregierung Düsseldorf -
der Folkwang-Hochschule -
der IBA-Emscherpark -
dem Rheinischen Amt für Denkmalpflege -
der Bauhütte Zeche Zollverein -

Tanz hat in NRW eine große Tradition. Er behauptet sich hier seit vielen Jahren als die innovativste Theatersparte und zugleich als der gefragteste "Exportaktikel" der NRW-Kulturszene.

4-seitiger Flyer, Seite 4
4-seitiger Flyer, Seite 4

Im November/Dezember 1996 begann für uns beide die eingehende Beschäftigung mit der alten, unterdessen noch mehr zerfallenden Waschkaue, in Form von ausführlichen Begehungen und den ersten Gesprächen mit Architekten vom Stadtbauamt Essen.

April/Mai 1997 Beginn der intensiven Planung, Suche und Findung eines Architekten für die Umgestaltung der Waschkaue in ein Tanzhaus.
Der Architekt Christoph Mäckler aus Frankfurt am Main "fing Feuer" für die industriebaulichen Besonderheiten der ehemaligen Bergmann Waschkaue mit ihren weißen Kacheln und den in die Wände eingelassenen Seifenschalen. Sein Credo war: "Mit einem Eimer Farbe die Transformation von der Waschkaue zum Tanzhaus zu schaffen, OHNE dass dieses Gebäude seinen typischen Charakter verliert!"
Mit der Wahl von Herrn Mäckler hatten wir großes Glück gehabt. Er stellte sich als "auftragserfüllender Fachmann"

bescheiden in den Dienst des Bauherren, die "Transformation" vom Industriebau zum Tanzhaus gelang und noch heute wird das Choreografische Zentrum in seiner gediegenen, herben Ausstrahlung bewundert und geliebt.

Die Räumlichkeiten des späteres Tanzhauses im Ur-Zustand

02.07.1998 Gründung der Betriebs GmbH beim Notar Herrn Dr. Walter Günther in Anwesenheit des Vereinsvorstandes von Herrn Professor Wolfgang Hufschmidt und Herrn Dr. Dietmar Möhler. Unterzeichnung von Gianni Malfer und Susanne Linke als Geschäftsführer zu gleichen Teilen.

Ab Januar 1998 arbeitet Gianni Malfer ausschließlich für das Choreographische Zentrum und wird vom Land NRW bezahlt. In weiteren Lenkungsausschußsitzungen für die Fortführung des Umbaus mit dem Hochbauamt der Stadt Essen wird die bis dahin ungeklärte Bauherrenfrage erörtert. Ich als Nutzerin wurde beauftragt, den Bau planerisch mit zu gestalten.

Unterdessen begannen die ersten Gespräche über die Programmgestaltung zur Schlüsselübergabe am 20. Mai 2000 und die geplante Gala-Vorstellung zur Eröffnung des Choreographischen Zentrums im September 2000. Auch Fragen nach Konzept und Programmgestaltung für das 1. Jahr wurden an uns herangetragen.

Damit traten die ersten Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten auf. Da ich hauptsächlich in meiner Position als Leiterin des Bremer Tanztheaters tätig war, konnte ich nicht regelmässig nach Essen kommen. 

Im Februar 1999 wurde mir vom Verein dringend geraten, meinen Vertrag mit dem Bremer Stadttheater vorzeitig zu kündigen. Das bedeutete für mich und das gesamte Bremer Tanztheater, eine folgenschwere Entscheidung zu fällen. Ich kündigte zum Ende der Spielzeit 2000. 

Im Herbst 1999 spürte ich eine Veränderung in der Stimmung mir gegenüber von Seiten des Vereins. 

Im September 1999 habe ich für das festgefahrene Problem mit der Theatertechnik Achim Niekel und Horst Mühlberger als Fachleute vorgeschlagen und durchgesetzt, die das Problem gemeinsam wunderbar lösten. 

Von Oktober-Dezember 1999 probte ich mit dem Bremer Ensemble.

Zur Premiere am 10. Dezember 1999 hat der Intendant des Bremer Stadttheaters Herr Dr. Klaus Pierwoß offiziell bekannt gegeben, dass ich Bremen ab Juli 2000 verlassen würde, um die künstlerische Leitung des Choreogaphischen Zentrums in Essen zu übernehmen. Es wurde in der Presse entsprechend veröffentlicht.

Am 16. Dezember 1999 machte mir der Vorstand des Vereins den Vorschlag, mich "von der Verantwortungslast für das Choreographische Zentrum zu entlasten". Ohne Entscheidungsbefugnis könne ich dort eine Residenz als Tänzerin und Choreogaphin haben, 2-3 Workshops im Jahr halten und zugleich das Choreographische Zentrum nach außen hin repräsentieren. Auch dem künstlerischen Beirat könnte ich mit meinen Ratschlägen zur Seite stehen.

Nach 3 Jahren der aktiven und den 7-8 Jahren der gedanklichen Arbeit konnte und wollte ich auf diesen Vorschlag nicht eingehen.

Zugunsten des "freien Tanzes" freue ich mich, dass durch mein Engagement zur Entstehung dieses Tanzzentrums die nötigen Gelder bereit gestellt wurden und letztlich meine ursprüngliche Idee von 1992 umgesetzt werden konnte.

(Susanne Linke, 02. Januar 2000)